Radsport-Club Bergedorf von 1988 e.V.
Trainingsfortschritt ist
messbar
Vor einigen Wochen hat mein Winter-
Training begonnen, dessen Basis die
Leistungsmessung in Watt ist.
Ich bin kein Hochleistungssportler und auch
kein Sportwissenschaftler, in diesem Artikel
geht es um Erfahrungen, die ich als Laie in
den letzten Monaten gesammelt habe.
Meine jüngere Sportgeschichte beginnt
Mitte 2015. Anfang 40 und die Waage zeigte
eindeutig zu viel an, nachdem ich gefühlte
Jahrzehnte nicht von meinem Schreibtisch
fortgekommen bin. Der Schock war heilsam.
Ich begann sehr auf meine Ernährung zu
achten und ersetzte viele Mahlzeiten durch
Proteine. Mit Erfolg. 20kg habe ich in ein
paar Monaten verloren. Durch die
Ernährung aber auch mit Hilfe meines
Crosstrainers. Mit Fahrradfahren habe ich
bis dahin nicht viel am Hut gehabt, außer
vielleicht mal zum Bäcker zu radeln. Ich
hatte mit dem Joggen angefangen. Dieses
ging mir aber auf die Knie, also setzte ich
mich auf mein altes, viel zu kleines
Mountainbike und bin einfach losgefahren.
Durch den Crosstrainer und das Joggen
hatte ich zumindest eine gewisse Grundkraft
und Kondition. Nach einer 55km Tour bin
ich glücklich wieder zu Hause angekommen
und mir war klar, ich wollte mehr. Also
kaufte ich mir ein Rennrad. Na ja, eigentlich
ein Crosser, um mir Optionen offen zu
lassen. Von Juni bis Anfang Oktober bin ich
ca. 2.500 km gefahren. Einen Trainingsplan
habe ich nicht verfolgt.
Nachdem das Wetter kühler wurde kam
der Entschluss, das Rad muss in den
Keller, auf eine Rolle. ABER, einfach nur
loskurbeln, dazu hatte ich keine Lust, also
folgte die Internetrecherche. Ich habe mich
für einen SMART Trainer entschieden,
dessen Leistung via ANT+ vom einem PC,
Handy oder Tablet ferngesteuert werden
kann. Dieses halte ich für das Einfachste,
denn so kann man sich voll und ganz auf
das Pedalieren und seinen Körper
konzentrieren, ohne die ganze Zeit auf die
Einstellungen des Trainers zu blicken. Beim
Training mit einem SMART Trainer wird
NICHT geschaltet, einzige Ausnahme sind
die Leistungstests. Die Steuerung des
Widerstandes erfolgt über das
Trainingsprogramm. Hier gibt es immer
wieder Phasen der Erholung, aber auch jene
der Anstrengung. Da muss man durch, aber
genau das macht ein solches Training aus.
Die Muskeln immer wieder unterschiedlich
fordern.
Welche Ziele habe ich als Radfahrer, was
muss ich beherrschen? Ich habe gelesen,
dass die Profis immer sehr zielgerichtet
Intervalltrainings durchführen.
Der erste Schritt bei einem solchen
Training ist die Feststellung des eigenen
FTP-Wertes. FTP- Wert, was ist das? Der
FTP-Wert ist die Funktionale
Leistungsschwelle. Der Wert, gemessen in
Watt, der für 60 Minuten auf die Pedale
gebracht werden kann bevor der Akku leer
ist. Und mit leer meine ich leer. Der FTP
Wert kann mit verschiedenen Leistungstests
ermittelt werden. Bekannt sind z.B. ein 20
Minuten Test oder ein 2x 8 Minuten Test.
Dieser Wert ist wichtig für die Festlegung
des Wiederstandniveaus beim Training.
Trainiert wird, abhängig vom Ziel der
jeweiligen Trainingseinheit, in definierten
Bereichen des FTP.
Kein Training wird mit absoluten Watt-
Einstellungen durchgeführt, jedes Training
ist individuell in Relation zum persönlichen
FTP-Wert des Trainierenden. Als Beispiel:
wenn es das Ziel des Trainings ist, die
Ausdauerleistung zu erhöhen , so wird in
Bereichen 50% - 80% des FTP trainiert.
Zusätzlich zur Leistung die erbracht werden
muss, gibt es noch andere Faktoren die
adressiert werden. Für die Grundlage ist es
auch wichtig, Trittfrequenzen über 120
U/min zu trainieren.
Welche Ziele hat ein wattbasiertes
Training?
•
Ausdauerleistung steigern (aerobe
Leistungssteigerung)
•
Fettverbrennung verbessern - man
kann dem Körper mehr Leistung
abverlangen, bevor er die wertvollen
Kohlenhydrate verbrennt. Die kann man
dadurch für einen Zeitpunkt aufsparen, zu
dem man deutlich mehr Power benötigt.
(Endspurt, Berg, …)
•
Trittfrequenz erhöhen – durch eine
Veränderung der Trittfrequenz nach oben ist
es möglich, die anaerobe Schwelle ein wenig
nach oben zu verschieben, was wiederum
die Ausdauer verbessert.
•
Sprintstärke steigern (anaerobe
Leistungssteigerung)
Welche Trainingsprogramme gibt es?
Es gibt in der Zwischenzeit viele
verschiedene Trainingsprogramme. Die
Einen haben einen höheren
Unterhaltungswert, die Anderen sind
deutlich strukturierter. Ich habe mich für
TrainerRoad entschieden. TrainerRoad
kostet im Monat 12$ und dafür gibt es sehr
strukturierte Trainingspläne für jede
Anforderung. Workouts gibt es derzeit 1144.
Hier sollte man aber mit einem passenden
Trainingsplan anfangen. Die Trainingspläne
sind in drei Phasen strukturiert. Von der
„Base Phase“ über die „Build Phase“ kommt
man zur „Speciality Phase“. Hier kann man
sich entscheiden, will man generalistischer
trainieren, so wie ich oder ist man z.B.
Triathlet, Sprinter, Bergfahrer oder Brevet
Fahrer. Für jeden gibt es ein angepasstes
Programm.
Die Trainings stellen nicht nur eine
Aneinanderreihung von Intervallen
unterschiedlicher Leistungseinstellungen
dar, es werden auch stetig Anweisungen
eingeblendet. Diese zielen unter anderem
auf das Trainieren bei unterschiedlicher
Kadenz aber auch bei unterschiedlichen
Körperhaltungen. Hier wird man motiviert
auch immer mal wieder in die Aero-Position
zu wechseln. Auch der runde Tritt wird
regelmäßig adressiert. Eine
Pedalumdrehung teilt sich in 4 Quadranten
auf. In jedem dieser Quadranten sind
andere Muskel gefordert. Der runde Tritt
besteht nicht darin abwechselnd den
rechten und den linken Fuß einfach runter
zu treten. Eine Effizienzsteigerung erfährt
man, wenn man jeden Fuß aktiv durch die
Quadranten bewegt. 1-Runter drücken, 2-
nach hinten ziehen, 3-nach oben ziehen, 4-
nach vorne schieben.
Durch die FTP Tests ist der
Trainingsfortschritt objektiv messbar,
nicht nur subjektiv fühlbar. Als ich vor 6
Wochen mit dem Training anfing, ergab
mein allererster FTP Test einen Wert von
259 Watt. Die ersten Trainings erschienen
mir relativ leicht, daher habe ich den Wert
nach ein paar Tagen auf 265 Watt
angehoben. Nach 4 Wochen überkam mich
erneut die Ungeduld und ich habe vorzeitig
einen weiteren FTP Test durchgeführt. 275
Watt! Nach 7 Wochen Training liegt mein
Wert jetzt bei 282 Watt . Ich bin begeistert.
Und ich fühle nach den Trainings dass ich
etwas getan habe. Es war egal wie lange
oder weit ich draußen gefahren bin. Ob es
nur 60km oder 225km an einem Tag waren,
ich hatte nie einen Muskelkater. Jetzt, bei
den fast täglichen Trainings auf der Rolle,
spüre ich meine Muskeln eigentlich jeden
Tag. Nicht im negativen, ich kann kaum
laufen Sinn, aber im Positiven. Ich habe das
Gefühl, dass der Körper stetig daran
arbeitet die Muskeln zu stärken.
Wie groß ist der zeitliche Aufwand?
Am Ende des Tages muss jeder selber
entscheiden, wie lange er oder sie es auf der
Rolle aushält. Jedes Programm gibt es in drei
verschiedenen Ausführungen. Low, Mid und
High Volume. Beim Sweet-Spot Base
Training bedeutet das z.B. 3,5 Stunden, 6,5
Stunden oder 8 Stunden pro Woche. Ich
habe die App auf einem PC installiert und
meinen Trainer per ANT+ verbunden. Wenn
ich trainiere, dann schaue ich entweder
Fußball oder Amazon Prime um die Zeit zu
vertreiben. Als Trainer benutze ich einen
Tacx NEO. Der ist super und vor Allem sehr
leise. Die einzige Schwachstelle die das
Gerät hat, ist die Ermittlung der Kadenz. Der
NEO wird ohne externen Sensor geliefert,
ermittelt die Trittfrequenz aber durch die
Analyse der Leistungskurve. Beim
Runtertreten tritt man mit mehr Kraft. Diese
Messung war bei mir aber doch recht
ungenau, was zu sehr starken
Schwankungen führte. Besonders wenn
man mit einem sehr gleichmäßigen, runden
Tritt trainiert waren Schwankungen von bis
zu -20 U/min üblich. Bei den ILT Übungen
(Independent Leg Training, oder auf
Deutsch, man tritt nur mit einem Bein und
stellt das Andere auf eine Kiste neben dem
Rad) zeigte der Trainer nur noch Quatsch
an. Hier habe ich meinen ANT+ Kadenz-
Sensor vom Garmin Edge mit dem PC
verbunden. Funktioniert 1a.
Fazit : Ich, absoluter Anfänger auf dem Rad,
bin total begeistert vom Leistungsbasierten
Training. Mir bringt das sehr viel und die
Erfolge sind klar messbar. Ich sehe es sogar
als super Ergänzung zum Outdoortraining
im Sommer, da die Geographie in der
näheren Umgebung nicht zwingend diese
Vielseitigkeit aufweisen kann.
Dennis, Dezember 2016